Strukturwandel: Die Lausitz erhebt Gestaltungsanspruch
Pressemitteilung zur 2. Konferenz „Reviertransfer Lausitz“
Gesponsort von der Ostsächsischen Sparkasse Dresden, fand am Donnerstag den 10.Juni 2021, in der Lausitzhalle Hoyerswerda die 2. Konferenz „Reviertransfer Lausitz“ statt.
Ziel der Konferenz war, den Stand des Strukturwandels seit Beschluss des Strukturstärkungsgesetzes vor ca. einem Jahr festzustellen, den begonnenen Prozess aus Sicht der kernbetroffenen Kommunen kritisch zu bewerten, um daraus Schlüsse für das weitere Fortschreiten zu ziehen. Redebeiträgen kamen unter anderem von den ehemaligen Mitgliedern der Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung (KWSB, auch „Kohlekommission“ genannt), Matthias Platzeck, Michael Kreuzberg und Gunda Röstel, dem brandenburgische Lausitz-Beauftragte Dr. Klaus Freytag sowie dem EU-Abgeordnetn Dr. Christian Ehler sowie Bürgermeistenr der Lausitz, des rheinischen und mitteldeutschen Reviers.
Unter der Überschrift „Die zweite Welle vermeiden“ wurde in der Konferenz deutlich gemacht werden, dass es nicht wie Anfang der 90er Jahre einen Strukturabbruch geben darf. Vielmehr muss das namentliche Gesetz zur Strukturstärkung das von der Bundesregierung gemachte Versprechen einlösen. Die „erste Welle“ brachte 90.000 verlorene Jobs mit entsprechend negativen sozialen wie auch sozialpsychologischen Folgen. Zehntausende Menschen wanderten aus der Lausitz ab, ganze Branchen brachen ersatzlos zusammen.
Monitoring vor Ort notwendig: Die Region Lausitz erhebt Gestaltungsanspruch
Um hier gegenzusteuern, ergriff das kommunale Bündnis Lausitzrunde mit regionalen Partnern die Initiative, um Bund und Länder als konstruktiver Wegbegleiter und Mitgestalter mit regionaler Kompetenz zu unterstützen. Dazu wurde in der Konferenz deshalb ein aktives Monitoring für die Lausitzer Strukturstärkung thematisiert. Erfahrungsträger aus der Lausitz wurden einbezogen, welche die Konsequenzen von Entscheidungen der EU und des Bundes in der Region im Alltag erleben, deshalb auch bewerten können und ihre Flankierung bzw. Nachsteuerung direkt zurück an die Politik geben. Zudem können und müssen sie als unmittelbare Ansprechpartner vor Ort die Transparenz der Wirtschafts- und Klimapolitik und ein besseres Verständnis der Strukturstärkungsmaßnahmen bei Bürgerinnen und Bürger gewährleisten. Damit erhebt die Lausitz aus der Region heraus Gestaltungsanspruch. Das Monitoring aus der Sicht der kernbetroffenen Kommunen erfolgen und soll für die Menschen einfach und verständlich quasi „auf einen Bierdeckel“ passen und sich mit festgelegten Schwerpunkten beschäftigen. Dazu wurde ein Leitfaden auf der Konferenz vorgestellt.
Neu: Lausitz-Kommission stellt sich vor
Die KWSB beendete ihre Arbeit offiziell bereits im Januar 2019, nachdem sie ihren Abschlussbericht vorgelegt hatte. Praktisch aber blieben die Kontakte bestehen und die Tätigkeit vielfältig ging weiter – bis schließlich Mitte 2020 die Resultate in das Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen gegossen wurde. Die Lausitz-Kommission, die nun diese Arbeit in der Umsetzungsphase fortführt, stellte sich zum Abschluss der 2. Konferenz „Reviertransfer Lausitz“ der Öffentlichkeit vor.
Mitglieder sind:
Manuela Kohlbacher, Kreative Lausitz (Sprecherin), Kompetenzzentrum Forst, ifab Institut Spremberg
Marco Bedrich, DGB Regionsgeschäftsführer
Christine Herntier, Bürgermeisterin Spremberg/Grodk
Torsten Pötzsch, Oberbürgermeister Weißwasser
Katrin Bartsch, Mitglied Vorstand WiL
Marco Bayer, Vorstand Pro Lausitz e.V,
Jan Hinrich Glahr, Bundesverband WindEnergie
Prof. Dr. Peter Schierack, B-TU Cottbus-Senftenberg
Tristan Mühl (Bürgermeister von Krauschwitz, Sachsen)
Dr. Johannes Staemmler, Forschungsgruppenleiter IASS Potsdam (beratend)
Statements:
Christine Herntier, Bürgermeisterin Spremberg und Sprecherin Lausitzrunde:
„Die Lausitzkommission stellt kein weiteres Gremium dar. Die Lausitzkommission ist vielmehr eine Bündelung relevanter Kompetenzen für die Strukturstärkung, und das aus der Region heraus. Sie umfasst all jene, die direkt vor Ort mit Menschen und Wirtschaft reden und die Strukturstärkung auch erklären müssen. Wir schaffen damit eine Funktion, die ein Monitoring und eine konstruktive Mitgestaltung aus der Region heraus ermöglicht. Es hilft uns nicht weiter, wenn Land und Bund Erfolge verkaufen, die bei den kernbetroffenen Kommunen sowie Menschen und Wirtschaft in der Region nicht ankommen. Wir brauchen mehr Ehrlichkeit. Auf diesem Weg werden wir immer wieder unser Thema schärfen: Kernbetroffenheit. Erfolge müssen zuallererst im eigentlichen Revier sichtbar werden. Vor allem darf es nicht bei Ankündigungen bleiben, wir müssen hier schneller in die Umsetzung kommen und mehr Wasser auf die Mühlen der Verwaltung geben. Sonst verlieren wir die Unterstützung der Menschen und der lokalen Wirtschaft.“
Dr. Christian Ehler, EU-Abgeordneter:
„Gelingen oder Scheitern des Strukturwandels in der Region hängt ganz entscheidend von der kommunalen Ebene ab. Hier liegt der Schnittpunkt zwischen Bürgern, Politik und Wirtschaft. Hier gewinnen die von der Politik geschaffenen Rahmenbedingungen ihre Akzeptanz in der Bevölkerung und bei den Unternehmen. Hier werden die Veränderungsprozesse sichtbar. Ich hoffe, dass es konkret wird. Die Kommunale Ebene braucht jetzt konkrete Umsetzungsangebote aus Potsdam und Berlin. Die EU-Kommission, aber auch ich als Europaabgeordneter arbeiten schon seit Jahren eng mit der kommunalen Ebene zusammen. Jetzt gebräuchliche Begriffe wie Europäische Modellregion und dafür geeignete Fördertöpfe aus Brüssel etc. sind von uns gemeinsam entwickelt und unterstützt worden. Die frühen Überlegungen auf der Ebene der Lausitzrunde zum "Wasserstoff als Zukunftschance" wurden zunächst belächelt, jetzt ist es Regierungsprogramm. Mir macht es Freude mit Bürgermeister:innen zu arbeiten. Die sind pragmatisch und ganz nah dran an den Bürgern. Es macht mich aber auch stolz, dass Europa ihre Bedeutung früher gewürdigt hat als Bund und Land. Das zeigt Europa kann auch ganz nah an seinen Bürgern sein.“
Manuela Kohlbacher, Kreative Lausitz e.V., ifab Institut, Kompetenzzentrum Forst:
„Es geht schlichtweg darum, dass der Strukturwandel gelingt. Dazu gehört mehr Transparenz, unter anderem zum Vergabeprozedere. Wer entscheidet am Ende wirklich über die Fördermittel, wohin und warum sie fließen und was an Budget noch real zur Verfügung steht? Die Gründung der Lausitzkommission ist ein Signal aus der kernbetroffenen Region, nicht nur hie und da mal gefragt zu werden, sondern aktiv mitgestalten zu wollen. Der Prozess, der ansteht, muss zudem nicht nur von der Zivilgesellschaft, sondern von allen Akteuren in der Region verstanden werden können. Was passiert gerade? Der Strukturwandel hat ein großes Ziel. Das schaffen wir nur gemeinsam. Möglicherweise beginnt hier schon der Wandel gegenüber bisherigen Verfahren. Wir reizen jetzt unsere demokratischen Mitsprache-Möglichkeiten aus – im Sinne von effektiv Vorantreiben, in die richtige Richtung bringen und auch den Finger in die Wunde legen.“
Bildtexte:
Symbolische Übergabe der zivilgesellschaftlichen Begleitung des Strukturwandels anhand des Abschlussberichts (mit Arbeitsspuren) der KWSB durch das ehemalige Mitglied der KWSB Gunda Röstel (vorn rechts) an Manuela Kohlbacher von der neu ins Leben gerufenen Lausitzkommission. Christine Herntier, Sprecherin der Lausitzrunde und Bürgermeisterin von Spremberg, war ebenfalls KWSB-Mitglied und geht den Weg weiter in der Lausitzkommission. Europäischer Einordnung und Unterstützung kann sich die Lausitz dabei u.a. durch EU-Abgeordneten Dr. Christian Ehler versichern.
Die Mitglieder der Lausitzkommission:
v.l.n.r. Katrin Bartsch, Marco Bayer, Jan Hinrich Glar, Christine Herntier, Torsten Pötzsch,
Manuela Kohlbacher, Marco Bedrich, Tristan Mühl (Bürgermeister von Krauschwitz)