Zu ihrer ersten Konferenz im neuen Jahr lud die Lausitzrunde für den 18. Januar 2022 Bundestagsabgeordnete aller Parteien ein, um sich mit ihnen über den weiteren Verlauf des Strukturwandels auszutauschen. Grundlage des Austausches waren die bereits im Dezember veröffentlichten Forderungen der Bürgermeister-Initiative. Dazu gehörten unter anderem die schnelle Umsetzung von  Infrastrukturmaßnahmen, die Verwendung der Gelder für die kernbetroffenen Reviere, der flexible, also vereinfachte Einsatz von Strukturmitteln, eine Investitionspauschale für direkt betroffene Kommunen, die Etablierung einer Wirtschaftszone mit besonderen Rahmenbedingungen, die direkte Förderung von Unternehmer-Projekten, ebenso von Planungsleistungen, die personelle Unterstützung kommunaler Verwaltungen.


Fünf Bundestagsabgeordnete,  sagten zu und gingen ins Gespräch mit Lausitzer Bürgermeistern, welche den wachsenden Druck des „idealerweise“ früheren Ausstiegs aus der Kohle 2030, so  O-Ton im Koalitionsvertrag, spüren. Der Ausstiegstermin stand auch erwartungsgemäß im Mittelpunkt der Diskussionen. Von Beginn an machte Lausitzrunden-Sprecherin Christine Herntier, Bürgermeisterin von Spremberg, die konstruktive Haltung der Lausitzrunde deutlich: „Wir wollen, dass der Strukturwandel, die deutsche Energiewende, gelingt. Wir Kommunalvertreter sind dabei Partner für Bund und Land. Dazu braucht es jedoch verlässliche Rahmenbedingungen. Ein neues Ausstiegsszenario gehört nicht dazu.“ Galt schon der ursprüngliche Ausstiegstermin 2038 als sehr ambitioniert, wurde angesichts des neuen Termins – 2030 – gefragt: Wie soll das gehen?

Alle Prozesse auf 2038 abgestimmt
CDU-Abgeordneter Knut Abraham hatte da seine Zweifel und konstatierte, dass alle Prozesse bereits auf 2038 abgestimmt seien. Allein das Wasserproblem sei schon allein nicht vorschnell zu lösen.
Steffen Kotrè von der AfD stellte fest, dass der vorgezogene Ausstieg illusorisch sei, schon weil bereits jetzt schon eine Versorgungslücke bei Strom bestehe: „Ich fürchte einen Strukturbruch.“
Caren Lay von den Linken dagegen meinte, dass sich 2038 nicht halten ließe, räumte jedoch ein, dass ein früherer Zeitpunkt auch andere Begleitmaßnahmen brauche. Fraktionskollege Christian Görke bekräftigte das und sprach von einem „schnelleren Einstieg in den Ausstieg“.
Hannes Walter von der SPD gab sich ebenfalls kritisch gegenüber den Formulierungen des Koalitionsvertrages: „Ich teile nicht den Optimismus.“ Als Voraussetzung für einen vorzeitigen Ausstieg nannte er unter anderem eine Sicherung der Grundlast durch eigene Stromversorgung.
Um hier immer am Ball zu bleiben und gegebenenfalls nachjustieren zu können, soll im Laufe des Jahres ein Controlling installiert werden, was das Fortschreiten des Wandelprozesses prüft, informierte Dr. Klaus Freytag, Lausitzbeauftragter des Landes Brandenburg.

Zahlen nicht schönrechnen
Wie wollen die Abgeordneten dazu beitragen, dass die Umsetzung des Strukturwandels rascher von statten geht? Christian Görke: „Wir müssen uns ehrlich machen und dürfen keine Zahlen schönrechnen. Das Strukturstärkungsgesetz muss neu aufgestellt werden. Es geht um klare Fakten, wie alles finanziert werden soll. Und ohne Planungsbeschleunigung geht nichts.“ Das erfordert einen Bürokratieabbau – ein weiteres Thema der Konferenz. Görke verwies auf bereits bestätigte Bahnprojekte, von denen entsprechend herkömmlicher Planung einige frühestens 2031 fertiggestellt sein sollen, andere jedoch erst 2038 und sogar 2040. SPD-Abgeordneter Hannes Walter stimmte hier zu, konnte aber auch nicht mehr versprechen als das „im Auge zu behalten“. Ein Patentrezept bringe er nicht mit.  Knut Abraham bemerkte dazu ernüchternd: „Bürokratieabbau wird immer gefordert, eine Umsetzung habe ich jedoch noch nie erlebt.“ Luckaus Bürgermeister Gerald Lehmann bezeichnete in diesem Zusammenhang den favorisierten früheren Kohleausstieg als „Hohn“. Er verwies auf seine Erfahrung, dass allein nur der Bau einer kommunalen Kita inkl. aller Genehmigungsleistungen bis zu acht (!) Jahre dauere.
Glocke gegen Bürokratie
Steffen Kotrè favorisierte deshalb die Einrichtung einer Sonderwirtschaftszone (SWZ): „Wir brauchen eine Glocke, an der die bürokratischen Hürden abprallen.“ Thomas Zenker, Bürgermeister von Großräschen, definierte das als eine „Sondergenehmigungszone“. „Wenn es schneller aus der Kohle rausgehen soll, müssen auch neue Wege gegangen werden“, so Lausitzrunden-Sprecherin Christine Herntier. Caren Lay von den Linken kommentierte jedoch eine SWZ als unrealistisch.
Manuela Kohlbacher von der Lausitz Kommission analysierte die Situation der meisten Kommunen als dramatisch, was die personellen und finanziellen Kompetenzen beträfe, Förderanträge zu stellen, Viele Verwaltung verpassen schlichtweg die Chance für unterstützende Projektfinanzierung, weil sie schon am Förderantrag scheitern. Hier brauche es Unterstützung.

Das Prinzip der Kernbetroffenheit
Nicht überraschend machte Lausitzrunden-Sprecher Torsten Pötzsch, Oberbürgermeister von Weißwasser, klar: „Wir halten am Prinzip der Kernbetroffenheit fest.“ Hatte er doch in der Vergangenheit des Öfteren die Vergabeprinzipien in Sachsen kritisiert.
Auch Michael Harig, Landrat von Bautzen, schlug in die gleiche Kerbe. Beim Strukturwandel müsse es zuerst um die Infrastruktur gehen. Wie kann die Erreichbarkeit der Lausitzer Region verbessert werden? Dabei bezog er sich auf Straße, Schiene und Breitband (Internet). Außerdem müsse das Augenmerk zuerst auf der Unterstützung der Bestandsunternehmen liegen und dann erst ginge es um Ansiedlung neuer Unternehmen. Dass das erfolgreich gelingen kann, sehe man beispielsweise in Polen: „Was östlich der Neiße möglich ist, muss auch westlich der Neiße möglich sein.“

Allgemein schien Ratlosigkeit die Runde zu beherrschen – auf dem Podium wie auch im Auditorium.
Einzig auf den Schlusssatz von Christine Herntier konnten sich wohl fast alle einigen: „Die Regierung muss jetzt liefern.“
Was im Klartext heißt: Wer den schnelleren Ausstieg aus der Kohleverstromung will, muss zeigen, wie dann der Strukturwandel gelingen soll.