Herntier: Sämtliche Mitglieder der LAUSITZRUNDE, egal ob Bürgermeister, Oberbürgermeister, Amtsdirektor oder Landrat, sind demokratische gewählte Volksvertreter. Sie erhielten von einer Mehrheit der Bevölkerung in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsgebiet den Auftrag, sich um das Gemeinwohl zu kümmern. Sie sprechen somit in ihrer aktuellen Amtsfunktion für alle Menschen in diesem Bereich, das ist Demokratie. Um ihren Auftrag mit Blick auf den Lausitzer Strukturwandel im Interesse der Menschen bestmöglich zu erfüllen, haben sie die LAUSITZRUNDE als freiwilliges und basisdemokratisches Gremium ins Leben gerufen. Durch die Stärke der länderübergreifenden Gemeinschaft lassen sich für jede einzelne Kommune nun Interessen gegenüber der Landes- und Bundespolitik sowie anderer regionaler Akteure besser durchsetzen. Auch in der LAUSITZRUNDE haben die demokratisch gewählten Volksvertreter sich ihrerseits auf gemeinsame Regeln verständigt und gemeinsam Strukturen festgelegt, in deren Ergebnis z. B. Kollege Pötzsch für die sächsische Lausitz und meine Person für die brandenburgische Lausitz als Sprecher des Bündnisses gewählt wurden. Die LAUSITZRUNDE ist meines Erachtens somit Ergebnis eines demokratischen Prozesses, der zu Recht den Anspruch zulässt, für alle Lausitzer im Bereich der Mitglieder zu sprechen. Das impliziert in einem demokratischen Prozess natürlich immer, dass Mehrheiten das Gemeinwohl und damit das Mandat für die Mitglieder und somit die LAUSITZRUNDE vorgeben. In meinen Augen ist die LAUSITZRUNDE ein Musterbeispiel gelebter Demokratie im Interesse der Menschen vor Ort.
Sie erhielten inzwischen Anfragen weiterer Initiativen, die das Gespräch mit bzw. die Mitgliedschaft in der LAUSITZRUNDE suchen. Wie gehen Sie mit diesen Anfragen um?
Pötzsch: Die LAUSITZRUNDE ist ein offenes, kommunales Bündnis. Entsprechend stehen wir demokratisch gewählten kommunalen Vertretern in der Lausitz natürlich offen gegenüber. Hier können wir auf Augenhöhe gemeinsam mehr erreichen. Jeder hat eine Stimme, auch das ist gelebte Demokratie. Das impliziert aber gleichzeitig, dass die LAUSITZRUNDE kein Bündnis für Interessengruppen oder Initiativen ist. Was die Gespräche anbelangt, ist unser Auftrag klar: Mit dem Mandat der kommunalen Vertreter führen wir den Dialog mit der Bundesregierung und den regionalen Akteuren. Sie müssen auch wissen, dass die LAUSITZRUNDE ein freiwilliges, ehrenamtliches und zusätzliches Engagement aller Mitglieder bedeutet. Wir haben gar nicht die Möglichkeit zu etlichen Treffen und Gesprächen. Deshalb ist der richtige Weg für alle Interessengruppen, sich in den Kommunen vor Ort einzubringen. Über diesen Weg und ihre gewählten kommunalen Vertreter können die Anliegen dann auch in die Arbeit der LAUSITZRUNDE einfließen.
Wie zu lesen war, mischt aber der Pro Lausitzer Braunkohle e.V. mit in der Runde, wie passt das zusammen?
Herntier: Das ist so nicht richtig. Der Pro Lausitzer Braunkohle e.V. mischt inhaltlich nicht mit. Er hat uns zusammengebracht, die kommunalen Vertreter auf sächsischer und brandenburgischer Seite der Lausitz. Er hilft bei der Koordination von Terminen zwischen den kommunalen Vertretern, das könnten wir so kaum leisten. Da er länderübergreifend und politisch unabhängig arbeitet, ist diese Unterstützung eine wichtige Hilfe. Sie hat aber keinerlei Auswirkung auf die inhaltliche Arbeit.
Welche Rolle spielt für Ihren Verein die sorbische Bevölkerung?
Pötzsch: Sie sehen das schon am Zeichen der LAUSITZRUNDE. Brandenburg und Sachsen kommen in diesem auf der Basis der sorbischen Farben zueinander. Die Lausitz hat ihre Wurzeln in der sorbischen Kultur. Deshalb sind wir auch im Gespräch mit den Vertretern der Lausitzer Sorben – und diesen steht unser Bündnis als Vertretung aller Lausitzer zur konstruktiven Mitarbeit und für Anregungen offen.
Für einen vertraulichen Brief der LAUSITZRUNDE an Bundeskanzlerin Merkel gab es den Vorwurf der Geheimniskrämerei, inzwischen erhielten Sie Antwort. Wie ist der aktuelle Stand?
Herntier: Es war richtig, den Brief derart vertraulich zu behandeln, denn die Erfahrung aus dem Jahr 2015 hat gezeigt, dass offene Briefe nicht den gewünschten vertraulichen Dialog befördern. Nur durch diese Vertraulichkeit wurde der Dialog mit der Bundesregierung überhaupt möglich, das wurde uns auch aus dem Bundeskanzleramt bestätigt. Dessen Antwort vom 10. 08. 2016 hat uns in unserem Vorhaben bestärkt, auf Seiten des Kanzleramts wird die LAUSITZRUNDE als der wichtige länderübergreifende Ansprechpartner für die brandenburgische und sächsische Lausitz gesehen. So ist es im Antwortschreiben des Kanzleramts klar formuliert. Ebenso wurde die Anregung der LAUSITZRUNDE aufgegriffen, dass der Bund die Federführung bei der Strukturentwicklung der Lausitz übernehmen sollte. Der Dialog zu den einzelnen Sachthemen soll nun auf Empfehlung des Kanzleramts durch die LAUSITZRUNDE mit den zuständigen Fachressorts des Bundes weiter geführt werden.
Dazu steht für den 21. September bereits ein Treffen mit Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel an, was wollen Sie mit ihm besprechen?
Pötzsch: Dazu haben wir uns bereits auf der Arbeitsebene der LAUSITZRUNDE abgestimmt. Wir wollen unsere Sachthemen besprechen. Es geht uns also darum, die Lausitz als Europäische Modellregion für den Strukturwandel in einem Staatsvertrag festzuschreiben, einen regional verantworteten Strukturfonds zu errichten und einen organisatorischen Rahmen zu schaffen, der unter Federführung des Bundes die Mitbestimmung der kommunalen Gebietskörperschaften garantiert. Zudem geht es um wichtige Maßnahmen im Bereich der Infrastruktur sowie Forschung und Entwicklung. Außerdem wollen wir wissen, wie Mittel aus dem Energie- und Klimafonds (EKF) abgerufen werden können. Mit Hilfe regionaler Partner beabsichtigen wir einen ersten Mittelabruf noch im Jahr 2016, um die zentralen Themenfelder in Projekten entsprechend untersetzen zu können. Wir erwarten auch vom Bundesminister für Wirtschaft und Energie Aussagen zur weiteren Energiepolitik in Deutschland.
Was verstehen Sie unter einer europäischen Modellregion?
Herntier: Ein Sonderstatus als "Europäische Modellregion für den Strukturwandel" eröffnet viele Möglichkeiten zu einer besonderen Förderung wirtschaftlicher wie kommunaler Aspekte. Sie macht es möglich, durch besondere Anreize Alternativen zu wegfallenden Industriearbeitsplätzen, im Bereich der Forschung und Entwicklung, aber auch im Bereich der alternativen Nutzung der Lausitzer Braunkohle zu schaffen. Gleichzeitig würde es die Lausitz zum Musterbeispiel für andere Regionen in Deutschland und Europa machen, wie eine Strukturentwicklung im Umfeld einer zukunftsgerichteten Energiewende erfolgreich gestaltet werden kann.
Wie stellen Sie sich die Zusammenarbeit mit den regionalen Gesellschaften wie der Innovationsregion und der in Gründung befindlichen Wirtschaftsregion vor?
Pötzsch: Die LAUSITZRUNDE sieht sich als Bindeglied der Lausitzer Bürgerinnen und Bürger zu den wichtigen regionalen Gesellschaften wie der Innovationsregion GmbH oder der in Gründung befindlichen Wirtschaftsregion Lausitz. Sie bringt einerseits die kommunalen Belange in den Prozess der Strukturentwicklung ein und steckt hierzu gemeinsam Prioritäten und Handlungsfelder ab, die den regionalen Gesellschaften als Basis für ihre Arbeit dienen. Zum anderen kann sie jederzeit die Vorhaben und Konzepte der regionalen Gesellschaften für die Lausitzer Bürgerinnen und Bürger transparent gestalten und so die Teilhabe an der Strukturentwicklung der Lausitz als demokratischen Prozess gestalten, der alle Bewohner der Region erreicht. So kann echte Partizipation am Prozess für große Teile der Bevölkerung stattfinden. Die zweite wichtige Funktion ist die Interessenvertretung der Lausitz auf Bundesebene. Mit der demokratischen Kraft, für 1 Million Lausitzer zu sprechen, hat die LAUSITZRUNDE hier ein besonderes Gewicht.
Sie bezeichnen die LAUSITZRUNDE als Innovation, warum?
Herntier: Der länderübergreifende Zusammenschluss kommunaler Vertreter auf unterschiedlichen Ebenen zur Bewältigung einer regionalen Herausforderung ist bundesweit einzigartig. Zudem ist uns kein Bündnis dieser Art mit einer freiwilligen, offenen Zusammenarbeit verschiedenster Gebietskörperschaften mit einer gelebten Basisdemokratie bekannt.
Was sind die nächsten Schritte der Arbeit der LAUSITZRUNDE?
Pötzsch: Wir werden neben dem Dialog mit der Bundesregierung auch Gespräche auf EU-Ebene suchen. Hier sind bereits Termine mit den Lausitzer Abgeordneten in Brüssel in Vorbereitung. Wir müssen aber einen Schritt nach dem anderen gehen, da die Arbeit in der LAUSITZRUNDE für alle Mitglieder auch eine zusätzliche Belastung zur Verantwortung für die jeweiligen Kommunen oder Gemeinden bedeutet, und dennoch gemeinsam abgestimmt wird. Das nächste Treffen aller Mitglieder findet am 28. September in Weißwasser statt – dort werden wir die nächsten Schritte beschließen und die Öffentlichkeit dann auch umgehend informieren.
Wir danken für das Gespräch.