Wer glaubt, die Lausitz sei als einzige Region in Europa vom Kohleausstieg betroffen, der irrt. Allein 40 Kohlefördergebiete gibt es auf dem Kontinent, die allesamt vor einem Wandel stehen.

Denn der Kohleausstieg kommt, bei den einen schneller, bei den anderen später. Alle stehen dabei vor dem gleichen Problem: Jahrzehntelang ist der Kohlebergbau arbeits- und identitätsstiftend gewesen, Garant für Wohlstand und Energielieferer. Nun müssen sich ganze Landstriche auf Umwälzungen einstellen.

Dass man in Deutschland vor allem mit Geld die Probleme lösen will – der Bund stellt 40 Milliarden Euro bis 2038 zur Verfügung –, wird nicht nur in der Lausitz kritisch gesehen. „Wir fordern, dass endlich Sichtbares geschieht“, sagt etwa Weißwassers Oberbürgermeister Torsten Pötzsch (Klartext) mit dem Hinweis, dass größere Städte vom Kohlegeld profitieren, der ländliche Raum aber bislang leer ausgeht.

Trotzdem: Andere Regionen Europas können davon nur träumen. In Bulgarien etwa ist ein Tagebau von heute auf morgen geschlossen worden. Davon berichtet Drebkaus Bürgmeister Paul Köhne (CDU), der als Mitglied der Lausitzrunde Anfang Juni vor Ort gewesen ist. „Es war erschreckend, was wir dort gesehen haben“, schildert Köhne der RUNDSCHAU. Ganze Städte sind in der Region um Pernik entvölkert. „Wir waren in einer großen Schule, wo nur noch 26 Schüler lernten, Tausende sind weggezogen, Hochhäuser stehen leer und die Leute warten dort auf den großen Investor, der aber so schnell sicher nicht kommt“, erzählt der Drebkauer Stadtchef.

Ein ähnliches Bild zeichnet sich in Griechenland ab. Dort ist Weißwassers Oberbürgermeister Torsten Pötzsch (Klartext) im September 2018 gewesen, um sich mit kommunalen Vertretern sowie Bergarbeitern zu treffen. „Wir wollen einen Austausch herstellen und voneinander lernen“, erklärt Torsten Pötzsch, der als Sprecher des sächsischen Teils der Lausitz in der Lausitzrunde aktiv ist. In Griechenland gebe es bislang noch keinen avisierten Kohleausstieg. Ohne die Kohle nämlich gibt es keine Arbeit, schon gar keine gut bezahlte – ein Problem, vor dem die Lausitz ebenfalls steht.

Zwar deckt Griechenland 30 Prozent seines Strombedarfs mit Braunkohle ab, aber die Provinzstadt Kozani zwischen Thessaloniki und Albanien hat Probleme – auch ohne Griechenlandkrise. Pötzsch spricht von einer Entwicklung von einer Industrie- zu einer Landwirtschaftsregion. Noch vor ein paar Jahren kamen 50 Prozent des griechischen Stroms aus dieser Gegend, heute sind die Kraftwerke veraltet, der Wohlstand verschwinde nach und nach. Der Staat habe kaum Geld, die Löcher in der Landschaft zu renaturieren, die der Tagebau hier gegraben hat. Und die Arbeitslosigkeit nimmt zu – wie die Umweltverschmutzung.

Wie in der Lausitz wollen einige griechische Bürgermeister der Entwicklung nicht weiter tatenlos zusehen. „In Griechenland hat sich auch ein Bündnis ähnlich der Lausitzrunde gegründet“, erzählt Pötzsch. Man habe erkannt, dass sich als Zusammenschluss mehrerer kommunaler Vertreter etwas bewegen lasse. Regelmäßig stehe die Lausitzrunde deshalb in Kontakt mit den Griechen, demnächst – im Herbst – auch mit den Polen rund um die Kohleregion Katowice. Auch dort denke man über ein Bündnis nach. Im November soll es einen Vor-Ort-Besuch geben.

In Bulgarien ist das noch ein weiter Weg. „Der Staat kümmert sich nicht um die Region“, erzählt Paul Köhne, „und die Bürgermeister zeigen kaum eine eigene Initiative.“ Dabei könnten sie von den Lausitzern lernen, findet er. Voneinander lernen, das nämlich ist das Ziel eines mit 660 000 Euro geförderten Projektes der Naturschutzorganisation WWF. „Wir fördern den Austausch zwischen diesen Regionen. Unser Ziel sind sozial gerechte Übergangsstrategien, die die Regionen zukunftsfest machen und das Klima schützen“, erklärt Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD), deren Ministerium das WWF-Projekt mitfinanziert.

„Wir organisieren den Dialog zwischen den Kohleländern Bulgarien, Polen und Griechenland mit Deutschland und der EU-Kommission“, erklärt Juliette de Grandpré vom WWF. Es gehe darum, sich über Lösungen auszutauschen, Fehler, die eine Region gemacht hat, nicht anderswo zu wiederholen. „Wenn die Kohleregionen sich auf kommunaler Ebene vernetzen, haben sie ein stärkeres Gewicht bei der EU“, hofft die WWF-Koordinatorin.

Die Umweltorganisation sieht die Herausforderung, „dass der Kohleausstieg nur mit Akzeptanz“ möglich wird, darum dürfe es nicht heißen: „Gewerkschaft gegen Klimaschützer, sondern wie die soziale Frage mit dem Klimaschutz beantwortet werden kann“, meint Juliette de Grandpré. Ein erstes Konzept, wie das für die Kohleregion Schlesien gelingen kann, ist im Rahmen der Weltklimakonferenz in Katowice vorgestellt worden. Auch hier verweist man auf die EU, die zusätzliche Finanzmittel zur Verfügung stellen soll.

Um den Austauch weiter voranzutreiben, ist ein Forum im September dieses Jahres in Weißwasser angesetzt, bei dem sich Bürgermeister aus den vier europäischen Ländern treffen. „Zuvor soll es auch eine Revierfahrt der Lausitz wie in Griechenland, Bulgarien oder dem Ruhrgebiet geben“, erzählt Torsten Pötzsch. Dass der WWF die Studienreisen in die europäischen Kohle­regionen organisiert, findet er gut. Immerhin würden so nicht nur Kommunalpolitiker in Kontakt mit anderen kommen, sondern auch Gewerkschafter, Arbeitgeber, Nichtregierungsorganisationen und Klimaschützer von den Problemen vor Ort erfahren.

LR Online vom 24.Juni 2019